Alles über Katzendiabetes - Tierärztliche Hilfe für Halter mit Diabeteskatze



Ein Blick in die Fachliteratur zum Thema "feliner Diabetes"

Tierärzte, die sich speziell zum felinen Diabetes informieren möchten, stehen vor einem Problem, denn bis dato gibt es in der Tiermedizin kein einziges Fachbuch über Diabetologie - geschweige denn speziell zur Katzendiabetologie.

Wer sich über Diabetes mellitus informieren möchte, muss deshalb mit den wenigen Seiten in den Büchern der "Inneren Medizin" vorlieb nehmen, in welchen Diabetes - meist für Hund und Katze gemeinsam - neben

nur einen verschwindend geringen Teil ausmacht.

In vielen (nicht nur älteren) Büchern finden sich zudem unzureichende Therapieempfehlungen:

Hierzu einige Beispiele:

"Behandlung `gesunder` diabetischer Katzen:
Die wichtigsten Parameter, um die Insulindosis einzustellen sind:
Eine Trinkmenge von kleiner/gleich 20 ml Wasser/kg KGW/24 h bei Dosenfutter oder kleiner/gleich 60 ml Wasser /kg KGW/24 h bei Trockenfutter weist auf eine vorbildliche glykämische Kontrolle hin. Die Wassertrinkmenge ist ein besserer Indikator für die durchschnittliche Blutglukose und den Grad der klinischen Kontrolle als die Fruktosaminkonzentration. Die Wassertrinkmenge sollte an mindestens zwei aufeinanderfolgenden Tagen zuhause gemessen werden, bevor die Blutglukosekonzentration gemessen wird. Am besten ist es, wenn der Besitzer Tagebuch über die tägliche Wasseraufnahme führt.
Die Überwachung der Glukose im Harn ist sehr nützlich. Dazu gibt es verschiedene Möglichkeiten, z.B. die Verwendung schlecht absorbierenden Materials in der Katzentoilette wie Silikon oder Papierfetzen, um den Harn für den Test mit einem Harnteststreifen zu gewinnen. Oder es wird ein Produkt für den Nachweis von Glukose für die Katzentoilette eingesetzt (z.B. Glucotest von Purina), der zur Katzenstreu gegeben wird und mit Farbveränderunen auf den Harn reagiert. Manche Besitzer können ihre Katze so erziehen, dass sie einen Harnteststreifen toleriert, der während des Urinierens in den Harnstrahl gehalten wird. Alternativ kann etwas mit Harn getränkte Katzenstreu mit Wasser gemischt werden, nachdem die Mischung durch ein Tuch gefiltert wurde..." "Die Überwachung der Konzentration von Fruktosamin oder glykiertem Hämoglobin kann ein nützlicher Indikator zur glykämischen Kontrolle bei Katzen sein, bei denen der Verdacht auf Stresshyperglykämie besteht, wenn der Besitzer nicht die Wasseraufnahme messen kann...
Zu Hause können die Tierhalter selbst die Wasseraufnahme sowie Glukose und Ketone im Urin messen. Im Idealfall sind keine oder nur Spuren von Glukose und keine Ketone vorhanden. Blutzuckerkurven können auch zu Hause erstellt werden, indem die Ohrrandvene punktiert und so ein Tropfen Blut für den Glukosetest gewonnen wird.“ (Aus „Praxishandbuch Katzenkrankheiten“, Jacquie Rand, Urban & Fischer Verlag, 1. Auflage 2009, Seite 275 und 364)

Die Autorin macht sich hier neben den ausführlichen Anleitungen zur Kontrolle der Wasseraufnahme des Patienten sehr viele umständliche Gedanken zur Glukosemessung im Urin - bis hin zum Filtern der uringetränkten Katzenstreu durch ein Tuch! Zum Hometesting dagegen gibt es nur einen einzigen Satz - keinerlei Erklärungen über Nutzen, Durchführung, Häufigkeit oder Interpetation.
(Wer übrigens annimmt, dass in diesem Buch von Seite 275 bis 364 zum Diabetes referiert wird, wird enttäuscht. Diabetes ist hier nur in zwei Sektionen aufgeteilt - einmal unter "Polyurie und Polydipsie" ca. sieben Seiten - wovon das erste Zitat stammt. Und etwa 100 Seiten später findet sich dann noch einmal das Thema Diabetes unter "Abmagerung trotz guten Appetits" auf insgesamt vier Seiten. Auch eine Neuauflage ist bis her nicht erhältlich.)

"Die Insulintherapie beginnt mit NPH- oder Lente-Insulin (letzteres wird von uns bevorzugt) in einer Dosis von 0,2-0,5 U/kg 2-mal täglich subkutan. Das Tier wird dann zur Äquilibrierung des Insulins für 5 - 7 Tage nach Hause geschickt. Während dieser Zeit überwacht der Besitzer das Allgemeinbefinden, die Trink- und Futtermenge und, falls möglich, die Harnglukose- und Ketonkörperausscheidung." "Für die Beurteilung der Einstellung einer diabetischen Katze ist die Meinung des Besitzers hinsichtlich der Wasseraufnahme und Harnmenge das wichtigste Kriterium. Sind diese normal und bleibt das gewünschte Gewicht stabil, so ist die Einstellung meist gut." (Aus „Krankheiten der Katze“, Herausgegeben von Marian C. Horzinek, Vera Schmidt, Hans Lutz, 3. völlig neu bearbeitete Auflage, 2003 Enke Verlag, Seite 568 und 569)

Hier war Hometesting offensichtlich noch gar nicht bekannt.
Inzwischen gibt es eine 5. Auflage, deren Anschaffung wir jedoch nicht planen. Falls Ihnen, lieber Leser, dieses Buch vorliegen sollte, würden wir uns über Ihre Mithilfe freuen. Bitte senden Sie uns ein Zitat (z.B. abfotografieren) betreffend des Homemonitorings daraus zu - so es denn inzwischen eines gibt.

"Die Einstellung einer stationär aufgenommene Katze ist wegen der oft schlechteren Futteraufnahme in der Klinik und der Stresshyperglykämie oft schwierig. Man sollte die leidlich eingestellte Katze (Blutglukose nicht höher als 200 und nicht niedriger als 80 mg/dl) möglichst bald nach Hause entlassen und dort systematisch mit der gefundenen Dosis weiterbehandeln lassen. Wenn man sie nach Hause entlässt, steigt der Blutzuckerspiegel dort wegen der größeren Bewegungsfreiheit, der in der Regel besseren Futteraufnahme und bei eventuellen Stresssituationen nicht selten wieder an. Zu Hause sollte die Blutglukose zwischen 100 und 250 mg/dl liegen. Nach einer Woche erfolgt die Blut-Glukosekontrolle in der Praxis, wobei das Fructosamin bestimmt werden sollte. [...] Die unbefriedigende Einstellung kann drei Ursachen haben:

Man muss in diesen Fällen den Besitzer sorgfältig aufklären. Wir lassen uns dann die Injektion vom Besitzer vorführen. Man sollte dann den Besitzer bitten, zu Hause Insulin zu injizieren und nach zwei bis vier Stunden in die Sprechstunde zur Blutabnahme kommen. Je nach Blutglukosespiegel kann dann die Blutabnahme variiert werden. Um eventuelle Fehlbeurteilungen durch Stresshyperglykämie weitgehend zu vermeiden, kann man den Besitzer anleiten, Blut zu Hause zu gewinnen und mittels Trockenchemiemethode selbst zu untersuchen. Man verwendet dazu Geräte, die auch in der Humanmedizin zur Selbstüberwachung des Diabetes mellitus beim Menschen Verwendung finden." (Aus "Katzenkrankheiten, Klinik und Therapie", (Herausgeber W.Kraft, U.M. Dürr und K. Hartmann, 2003, Seite 1029)

Immerhin ist Homemonitoring hier bekannt. Bemerkenswert im letzten Zitat ist jedoch, dass die Ursachen eine fehlerhaften Insulintherapie ausschließlich beim Tierhalter gesucht werden, der die Insulinbehandlung "unzuverlässig" vornimmt. Eventuell zu hohe Insulindosierungen, die für eine unbefriedigende Einstellung ebenso in Frage kommen und die gerade bei stationären Einstellungen häufig eintreten, werden nicht bedacht. Im Gegenteil, man geht davon aus, dass die Katzen zu Hause(!) höhere Blutzuckerwerte und häufig sogar mehr Stress haben, als bei der Einstellung unter klinischen Bedingungen - trotz der allseits bekannten Stresshyperglykämie.
"Größere Bewegungsfreiheit" wird hier fälschlicherweise sogar als Ursache für höhere Blutzuckerwerte angesehen. Das Gegenteil ist der Fall. Möglichst viel Bewegung wird menschlichen Diabetikern sogar verordnet, um die Blutzuckerwerte zu senken. Denn durch Arbeit verbrauchen die Muskeln mehr Energie in Form von Kohlenhydraten - der Blutzucker sinkt.
Tatsache ist, dass die meisten Katzen beim Tierarzt höhere Werte als zu Hause zeigen, denn zu Hause ist der Stress in der Regel viel geringer! Allerdings können die Werte zu Hause durch die meist erfolgte Insulinüberdosierung und Gegenregulation tatsächlich ansteigen - solange, bis es zum Zusammenbruch der Gegenregulationsmechanismen und damit zu hypoglykämischen Werten und Unterzuckerunsepisoden kommt. Die Beobachtungen im Buch oben sind also richtig. Aber die Interpretation lässt sehr zu wünschen übrig, denn das Thema Gegenregulation ist in der Tiermedizin noch immer weitestgehend unbekannt.

Man könnte diese Liste noch um viele derartige Zitate ergänzen... Nur ein einziges Buch weicht nach unserer Kenntnis bislang in seinen Therapieempfehlungen davon ab. Es handelt sich um das Buch:"Innere Medizin der Kleintiere", (Herausgegeben von Nelson u. Couto, Elsevier-Verlag) welches auch als einziges von der Universität München als Lernempfehlung für Studenten genannt wird. Etwa DIN A4 groß und ca. 6 cm dick, behandelt es auf 1564 Seiten die Innere Medizin von Hund und Katze...

Das macht zusammen 39,5 Seiten aktuelles Diabeteswissen in der Tiermedizin für Hund und Katze gemeinsam! Dem stehen 830 (!) Seiten im Diabetologiebuch des nur unwesentlich kleineren Formates aus der Humanmedizin gegenüber... allerdings nur für nur eine Tierart, den Menschen! "Diabetologie in Klinik und Praxis", Herausgegeben von Mehnert, Standl, Usadel, Häring, Thieme Verlag)

Zwei etwa gleich umfangreiche Bücher:
Eines aus der Tiermedizin. Es behandelt die gesamte Innere Medizin von gleich zwei Tierarten (Hund und Katze). Diabetes gehört zur Inneren Medizin, ist hier nur ein Thema von vielen...
Das andere stammt aus der Humanmedizin und widmet sich ausschließlich dem Diabetes mellitus von nur einer "Tierart", dem Menschen, und ist demensprechend viel ausführlicher, anspruchsvoller und genauer.
Die Pfeile zwischen dem grünen und roten Lesezeichen kennzeichnen 39,5 Seiten Hunde- und Katzendiabetes. Das ist derzeit das gesamte verfügbare Wissen in der Fachliteratur der Tiermedizin zu diesem Thema.
Zum Vergleich: Das aktuelle Diabeteswissen in der Humanmedizin umfasst 830 Seiten.

Und auch im derzeit besten tiermedizinischen Fachbuch finden sich Ratschläge, die man kritisch hinterfragen sollte:
So wird das Hometesting zwar als Alternative zur Einstellung beim Tierarzt genannt, welche durch die häufige Stresshyperglykämie der Katze häufig scheitert (wie hier sogar richtig erwähnt wird), es wird jedoch indirekt empfohlen, es dem Tierhalter nur zu zeigen, wenn dieser daran interessiert ist:
Zitat Seite 821, 2. Auflage:

"Nach der Diagnose eines Diabetes mellitus sollte der Tierarzt eine bestimmte Internetadresse empfehlen, um festzustellen, ob der Tierhalter an einer selbstständigen Überwachung des Blutzuckerspiegels zu Hause interessiert ist."

Hat die Katze Glück und der Tierhalter ist intelligent und mutig genug, das Thema Homemonitoring beim nächsten Tierarztbesuch von sich aus anzusprechen, folgt erneut eine Überraschung:
Zitat Seite 821, 2. Auflage:

"Tierhalter sollten darüber aufgeklärt werden, wie häufig ein Tagesprofil erstellt werden sollte (im Idealfall nicht häufiger als an 1 Tag alle 4 Wochen) und wie häufig an diesem Tag eine Messung der Blutglukosekonzentration erfolgen sollte (zum Zeitpunkt der Insulingabe und 3, 6, 9 und 12 Stunden später.)"

Im Gegensatz die Forderung der Humanmediziner: Zitat, Seite 147, 5. Auflage in den Tabellen:

"Wie oft testen: mindestens 4-mal täglich", bzw. "vor jeder Injektion".

Wie aber kann es zu einem solchen befremdlichen Widerspruch kommen? Katzen sind keineswegs einfacher einzustellen als Menschen. Ganz im Gegenteil, Katzen können nicht über ihre Befindlichkeiten Auskunft geben. Oft sind sie sogar stundenlang allein in der Wohnung und können sich im Notfall - anders als der Mensch - in keiner Weise bemerkbar machen oder selbst helfen.
Ein Tagesprofil alle vier Wochen aber gleicht in der Genauigkeit einem Würfelspiel. Denn die einzelnen Tageskurven müssen keineswegs immer konstant oder auch nur ähnlich ausfallen. Es gibt gerade anfangs oder bei den häufig vorkommenden Insulinüberdosierungen gute, wie auch schlechte Tage. Während eine Kurve komplett in zwischen 500 und 400 mg/dl liegt, kann es in der nächsten Kurve zu "Abstürzen" bis zu 200 oder 100 mg/dl kommen. Ein herausgegriffenes Tagesprofil aus einem vierwöchigem Intervall ist somit keineswegs repräsentativ und als Grundlage für eine Dosisänderung völlig ungeeignet.
Im Umkehrschluss kann bzw. könnte mit dieser Empfehlung auch erst nach vier Wochen(!) eine unpassende Insulindosierung überhaupt entdeckt werden. Eine derartig lange Anpassungszeit ist aber nicht nötig. Sollte eine zu hohe Dosierung vorliegen, kann es zu lebensgefährlichen Unterzuckerungen kommen, die der Tierhalter - unfähig zum Hometesten - nur am Verhalten des Patienten erkennen kann! Oder es stellt sich in dieser Zeit eine Insulinresistenz ein, die ihrerseits dann wieder falsch interpretiert und mit noch höheren Dosierungen behandelt wird. In der Humanmedizin wären derartige Ratschläge völlig undenkbar!...

In der Tiermedizin möchte man den Tierhalter nicht überfordern, selbst wenn ein solches Vorgehen dem Patienten zum Nachteil gereicht. Denn der Tierhalter bezahlt die Rechnung - nicht der Patient. Homemonitoring ist auch heute noch vielerorts unbekannt und tägliche mehrmalige Messungen in der Praxis sind unmöglich. Auf diese Weise entstehen für den Patienten untaugliche Kompromisse zwischen medizinischer Notwendigkeit und den Anforderungen an eine florierende Tierarztpraxis.

Wer nun vermutet, die Katzenohren schonende Empfehlung nur alle vier Wochen ein Tagesprofil anzufertigen bestände zum Schutze des Patienten vor zu viel Stress, wird schnell enttäuscht. Dass Homemonitoring für Katzen weniger Stress bedeutet als eine Einstellung bzw. die üblichen Verlaufskontrollen beim Tierarzt, ist sogar auf diesen wenigen Seiten nachzulesen:

Zitat, Seite 823, 2. Auflage: "Die Blutentnahmetechnik am Ohr hat sich bei Katzen ausgesprochen gut bewährt. Für viele Katzen wird dadurch das Stresspotential signifikant reduziert und die Genauigkeit der Blutglukosemessungen verbessert."

Zumindest diesem Satz können wir uns zu 100% anschließen.
Auch die Lehrmeinung der Universitäten eine Startdosis von je 1 IE pro Katze zu wählen, stammt aus diesem Buch (Seite 817, 2. Auflage). Schon zwei Seiten weiter steht jedoch:

"Bei diabetischen Katzen können Probleme in Form einer Hypoglykämie und eines Somogyi-Effektes bereits bei relativ kleinen Dosen Insulin (1 - 2 IE/Injektion) auftreten." (Seite 819, 2. Auflage).

Damit stellt der Autor seine eigene Aussage in Frage. Wenn bei 1 IE schon eine Gegenregulation auftreten kann, wieso wird diese Dosis dann als Startdosis empfohlen? Welche Chance hat eine Katze, deren erste Insulindosierung schon mit einer Gegenregulation beginnt/beginnen muss?!Und so beginnt der Teufelskreis von zu viel Insulin -> zu hohen Werten -> noch mehr Insulin -> noch höheren Werten -> bis zur Euthanasie wegen einer angeblich "pathologischen", also krankhaften Insulinresistenz immer wieder auf´s Neue...

Zugute halten muss man diesem Buch jedoch, dass es:

Leider steht dieses Buch nicht allen Tierärzten zur Verfügung. Denn wer schon drei Bücher über Innere Medizin aus Studienzeiten im Regal stehen hat, wird kaum noch ein viertes dazu erwerben. In den meisten Fällen werden deshalb auch heute noch in der Praxis die unzureichenden Empfehlungen aus anderen, oft älteren Fachbüchern nachgelesen und angewandt.

Letzte Änderung 23.05.2022


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