Alles über Katzendiabetes - Tierärztliche Hilfe für Halter mit Diabeteskatze


Wie hoch ist der normale, physiologische Blutzucker der Katze?
Welche Ursachen gibt es für zu niedrige Blutwerte?
Welche Ursachen gibt es für zu hohe Blutwerte?
Welche Blutzuckerwerte sind für diabetische Katzen erstrebenswert?
Welche Formen können Blutzuckerkurven annehmen?
Wie sieht die ideale Blutzuckerkurve aus?
Wie sieht die Insulinkurve aus, wenn zu viel Insulin verabreicht wird?
Wie sieht die Insulinkurve aus, wenn zu wenig Insulin verabreicht wird?
Wie erkenne ich an einer Tageskurve mit erhöhten Blutzuckerwerten, ob zu viel oder zu wenig Insulin verabreicht wurde?
Wie aussagekräftig ist ein einzelnes Tagesprofil?
Warum reichen die Pre-Werte allein nicht für eine Einstellung aus?
Wie nützlich ist ein Tagesprofil beim Tierarzt, wenn ich auf Homemonitoring verzichten möchte?
Warnung vor "Tight Regulation"!

Wie unsere Kunden uns beurteilen lesen Sie hier.



Wie hoch ist der normale, physiologische Blutzucker der Katze?

Der physiologische Blutzucker bei gesunden Katzen entspricht mit 60/80 bis 100/120 mg/dl in etwa dem des Menschen. Die Zahlen schwanken leicht von Labor zu Labor bzw. innerhalb der Fachliteratur.


Welche Ursachen gibt es für zu niedrige Blutwerte?

Ist der Blutzucker zu stark erniedrigt, liegt eine Hypoglykämie vor.
Zu niedriger Blutzucker kann beim insulinpflichtigem Diabetiker folgende Ursachen haben:

Nur der medizinischen Vollständigkeit halber sei noch ein insulinproduzierender Tumor, ein Insulinom genannt. Insulinome spielen bei diabetischen Katzen jedoch KEINE Rolle.

Blutzuckerwerte unter 60 bis 50 mg/dl sind als gefährlich einzuordnen!



Welche Ursachen gibt es für zu hohe Blutwerte?

Die Erhöhung des Blutzuckers nennt man Hyperglykämie.
Zu hohe Blutzuckerwerte können beim insulinpflichtigem Diabetiker folgende Ursachen haben:



Welche Blutzuckerwerte sind für diabetische Katzen erstrebenswert?

Leider können diabetische Tiere nicht unmittelbar über ihr Befinden Auskunft geben. So können sie z.B. nicht äußern, wenn ihnen durch zu schnell fallende oder zu niedrige Blutzuckerwerte schwindelig und übel wird oder Kopfschmerzen auftreten. Auch stehen sie i.d.R. nicht ständig unter Kontrolle ihres Tierhalters. Berufstätige Tierhalter müssen das Haus oft stundenlang verlassen. Und auch nachts bemerkt der Tierhalter nicht immer sofort, wenn es Probleme gibt. Eine Unterzuckerung, hervorgerufen z. B. durch Erbrechen der Nahrung, wäre hier fatal.

Aus diesem Grunde strebt man bei tierischen Diabetikern keine allzu tiefe, physiologische Einstellung an, sondern orientiert sich an ähnlichen Fällen aus der Humanmedizin. Denn auch hier gibt es Patienten, die eine drohende Unterzuckerung nicht wahrnehmen und sich somit auch nicht äußern oder schützen können. Zitat:

"Besonders vorsichtig bei der Wahl des unteren Blutzuckerbereiches sollte vorgegangen werden, wenn die Erkennung niedriger Blutzuckerspiegel (gestörte bzw. fehlende Hypoglykämiewahrnehmung, "unawareness") eingeschränkt oder verloren gegangen ist. Auch hier sollte der angestrebte untere Therapiebereich nicht unter 100 mg/dl liegen."
"Als Faustregel gilt für den Diabetiker, Blutzuckerwerte unter 60 mg/dl (3,3 mmol/l) in jedem Fall zu vermeiden."
"Bereits bei Blutzuckerspiegeln von 50 - 70 mg/dl (2,8 - 3,9 mmol/l) kann die intellektuelle Leistungsfähigkeit eingeschränkt sein, obwohl die klassischen Symptome einer Unterzuckerung noch fehlen."
(Aus Diabetologie in Klinik und Praxis: Das Referenzwerk für die alltägliche Praxis, 5. Auflage, Thieme Verlag, Seite 251 und Seite 262).

"Eine Blutglucosekonzentration unter 60 mg/dl wird als Hypoglykämie bezeichnet."
("Innere Medizin der Kleintiere", Herausgeber Richard W. Nelson, C. Guillermo Couto, Elsevier Verlag 2009, Seite 794)

Werte von 200 mg/dl zum Pre (Zeitpunkt der Insulingabe) bis zu 100 mg/dl zum Nadir (tiefster Punkt der Kurve) lassen genügend Sicherheit, sollte der Blutzuckerspiegel einmal etwas tiefer fallen als erwartet.

Schützen Sie Ihre Katze vor Selbsthilfegruppen im Netz, welche "gesunde" Blutzuckerwerte im Bereich von 40 mg/dl bis 80 mg/dl als dauerhaft erstrebenswert für Diabetespatienten propagieren oder mit hohen Insulindosierungen ohne Rücksicht auf Gegenregulationen eine "Anleitung zur Remission" versprechen. Auch unter dem Begriff "Thight Regulation" bekannt, werden diabetische Katzen dort ständig am Rande oder innerhalb von glykämischen Werten gehalten. Beim Menschen könnte man hier vielleicht von Körperverletzung sprechen... Zudem ist eine medizinische Beratung durch Laien verboten und jurstisch relevant, auch wenn hierfür kein Geld verlangt wird.


Welche Formen können Blutzuckerkurven annehmen?

Eine Blutzuckerkurve entsteht beim Messen der Blutzuckerwerte innerhalb von zwei Insulininjektionen. Eine einzelne Kurve umfaßt somit den Zeitraum von 12 Stunden.

Durch äußere Einflüsse kann die Blutzuckerkurve jede beliebige Form annehmen. Von der steilen "Suppenschüssel" über die etwa gleichbleibend "flachen Linie" bis hin zum "Berg" oder auch die"liegende S-Kurven" - alles ist möglich. Bestimmte Formen können bestimmte Probleme bei der Einstellung widerspiegeln.
Wichtig ist hier die richtige Interpretation! Rufen Sie uns an, wir helfen Ihnen gerne, die Blutzuckerkurven Ihrer Katze zu verstehen: 0152/29950476.



Wie sieht die ideale Blutzuckerkurve aus?

Tageskurven, die von sehr hohen Werten (über 400) zu sehr niedrigen Werten (100er Werte) führen, also eher einer Suppenschüssel als einem Suppenteller gleichen, sind wenig vorteilhaft für den Patienten. Der drastische Blutzuckerabfall und -wiederanstieg führt zu Übelkeit, Schwindelgefühlen, Kopfschmerzen und Heißhungerattacken, wie humane Diabetiker zu berichten wissen.

Eine Tierhalterin, die selbst schon seit vielen Jahren unter Diabetes leidet, sagte uns dazu einmal: "Nach solchen Tagen fühlt man sich, als wäre man einen Marathon gelaufen. Man ist einfach nur fertig mit der Welt, unfähig zu arbeiten. Man möchte einfach nur seine Ruhe."

Die ideale Kurve sollte die Form eines Suppentellers aufweisen. Siehe hierzu auch: Welche Blutzuckerwerte sind für Katzen erstrebenswert?


Wie sieht die Insulinkurve aus, wenn zu viel Insulin verabreicht wird?

Bei einer Überdosierung von Insulin hat der Organismus zwei Möglichkeiten zu reagieren. Entweder lässt er die Insulinwirkung zu und erleidet bei entsprechend hoher Dosierung eine tödliche Hypoglykämie; oder aber er "wehrt" sich gegen die Überdosierung und ermöglicht so ein Überleben.

Im Falle einer gefährlichen Hypgolykämie fallen die Blutzuckerwerte immer weiter ab, bis der Stoffwechsel des Gehirn, welches auf eine ständige Glucoseversorgung aus dem Blut angewiesen ist, so reduziert wird, dass der Patient ins Koma fällt und stirbt.

Schafft es der Organismus sich gegen das Zuviel an Insulin zu "wehren", ist anfangs häufig ein Somogyi-Effekt die unmittelbare Folge. Eine solche Kurve stellt sich meist V-förmig da. Man erkennt zuerst den tiefen oder auch nur zu schnellen Abfall des Blutzuckers und danach "schießt" dieser innerhalb von wenigen Minuten drastisch nach oben. (Genauere Informationen zum Somogyi-Effekt finden Sie hier).

Die ermittelten Kurven zeigen jedoch häufig nicht den für einen klassischen Somogyi zu erwarteten kurzzeitigen Blutzuckerabfall unter physiologische Werte (Siehe klassische bzw. lehrbuchhafte Somogyikurve - Bild 2). Viel häufiger sieht man in der Praxis eine konstant erhöhte Blutzuckerkurve, die erst gegen Ende der Insulinwirkung langsam wieder zu fallen beginnt. Das kann zum einen daran liegen, dass der Somogyi-Effekt innerhalb von Minuten abläuft und zwischen zwei Messungen erfolgte, ohne davon erfasst zu werden. Oder es handelt sich um eine inzwischen eingetretene Insulinresistenz, die bei andauernder Überdosierung den Somogyi-Effekt ersetzt.


Wie sieht die Insulinkurve aus, wenn zu wenig Insulin verabreicht wird?

Wird das Insulin unterdosiert, bleiben die Blutzuckerwerte beständig erhöht.



Wie erkenne ich an einer Tageskurve mit erhöhten Blutzuckerwerten, ob zu viel oder zu wenig Insulin verabreicht wurde?

Die Antwort hierauf ist kurz: Dies ist nicht möglich! Bitte vergleichen Sie hierzu die Tageskurven bei der Verabreichung von zu viel Insulin (Somogyi-Effekt/Insulinresistenz) und zu wenig Insulin.

Beide Kurven können absolut identisch ausfallen.

Ein einzelnes Tagesprofil mit erhöhten Glukosewerten lässt nur den Schluss zu, dass die Einstellung dieses Patienten bisher mangelhaft ist. In welcher Richtung die Insulintherapie korrigiert werden sollte, ob die Insulindosis erhöht oder gesenkt werden muss, ist hieraus leider nicht ersichtlich.

Um eine Unterscheidung zu treffen, sind stets mehrere Blutzuckerkurven nötig. Rufen Sie uns an, wir helfen Ihnen gerne bei der Interpretation: 0152/29950476.


Wie aussagekräftig ist ein einzelnes Tagesprofil?

Noch immer gehört es zur aktuellen Vorgehensweise der Tiermedizin, ein einzelnes Tagesprofil vom Tierhalter zu fordern oder beim Tierarzt anzufertigen. Denn selbst das derzeit beste Buch zur Inneren Medizin (Eines zum Diabetes direkt gibt es nach unserem Wissen in der Tiermedizin nicht) fordert ein derartiges Procedere:

"Tierhalter sollten darüber aufgeklärt werden, wie häufig ein Tagesprofil erstellt werden sollte (im Idealfall nicht häufiger als an 1 Tag alle 4 Wochen) und wie häufig an diesem Tag eine Messung der Blutglukosekonzentration erfolgen sollte (zum Zeitpunkt der Insulingabe und 3, 6, 9 und 12 Stunden später.)"

Zitat aus "Innere Medizin der Kleintiere", (Herausgegeben von Nelson u. Couto, Elsevier-Verlag)

Ganz anders sieht es in der Humanmedizin aus. Hier werden im Fachbuch ständige, mehrmalige Blutzuckerkontrollen pro Tag gefordert. (Siehe hierzu: Wie oft sollte ich den Blutzucker messen?) Und das hat seinen Grund:

Wenn der Blutzucker kontinuierlich über mehrere Tage alle vier Stunden überwacht wird, ergibt sich oft ein sehr inhomogenes Bild der gemessenen Werte. So findet man in manchen Kurven einen relativ starken Blutzuckerabfall, der sich in späteren Kurven jedoch ins Gegenteil verkehrt - bis hin zum Anstieg der Blutzuckerwerte nach der Insulininjektion. So kann die erste Kurve z.B. folgendermaßen aussehen:
+ 0    412 mg/dl
+ 4    360 mg/dl
+ 8    220 mg/dl
+ 12    332 mg/dl

Isoliert betrachtet könnte man hier von einer durchaus adäquaten Insulinmenge ausgehen. (Wohlgemerkt reden wir hier von einer Kurve mitten in der Einstellungsphase, die natürlich noch nicht im optimalen Blutzuckerbereich liegt.)
Doch dieses Bild kann sich täglich ändern. Der Körper reagiert oft erst nach einigen Injektionen auf die derzeitige Insulinmenge:
+ 0    332 mg/dl
+ 4    410 mg/dl
+ 8    455 mg/dl
+ 12    372 mg/dl

Betrachtet man diese Kurve nun ebenfalls einmal isoliert - weil nur diese Kurve als Einzelprofil gemessen wurde - stellt man fest, dass die Werte nach der Insulingabe sogar noch angestiegen sind.
Eine Insulinunterversorgung ist zwar möglich. Es könnte sich aber genauso um eine Gegenregulation handeln, bei der die Dosis gesenkt werden sollte.
Der Vollständigkeit halber sei bemerkt, dass sich ähnliche Kurven auch aus anderen Gründen bilden können. Nicht immer sind steigende Werte einer Gegenregulation oder einem Insulinmangel geschuldet. Rufen Sie uns an, wir helfen Ihnen gerne bei der Interpretation der gemessenen Werte: 0152/29950476.

Aus einer einzelnen Tageskurve ist nicht zu erkennen, ob es sich um eine Gegenregulation handelt oder um einen Insulinmangel. Hierzu ist es zwingend notwendig, sich die vorhergehenden Kurven ebenfalls anzusehen. Erst wenn mehrere Kurven im Zusammenhang bewertet werden können, wird klar, ob die Insulindosis gesenkt oder erhöht werden sollte. Um so mehr Kurven in die Auswertung einbezogen werden können, um so sicherer ist die Interpretation.


Warum reichen die Pre-Werte allein nicht für eine Einstellung aus?

In unseren Beratungsgesprächen sehen wir uns auch immer wieder mit dieser Frage konfrontiert. Denn wenn der Blutzucker zu Hause erfasst wird, geschieht dies leider oft nur zweimal am Tag, jeweils unmittelbar vor der nächsten Insulininjektion.
Verallgemeinernd kann man sagen, dass die Pre-Werte anzeigen, ob eine nächste Insulininjektion gefahrlos vorgenommen werden kann.
Die Zwischenwerte aber verraten meist viel deutlicher, ob zu viel oder zu wenig Insulin verabreicht wurde. Bei Unsicherheiten helfen wir gerne weiter: 0152/29950476.

Wie nützlich ist ein Tagesprofil beim Tierarzt, wenn ich auf Homemonitoring verzichten möchte?

Tierhalter, die kein Homemonitoring durchführen wollen, werden meist aufgefordert, den Blutzuckerspiegel ihrer Katze nach wenigen Wochen erneut beim Tierarzt messen zu lassen. Der Patient wird hierzu für einen Tag stationär aufgenommen. Dieses Vorgehen ist für den Tierhalter die einfachste Lösung - im Hinblick auf eine gute Einstellung des Patienten ist dieses Vorgehen jedoch sehr problematisch:

Die Einstellung mittels Tagesprofil beim Tierarzt führt nur selten zu einem befriedigenden Ergebnis. Natürlich kommt es hier auch auf die Ansprüche der Beteiligten an - was genau verstehen sie unter einer "guten Einstellung"? Reichen Werte die größtenteils um die 300 mg/dl liegen aus oder möchte man Werte zwischen 200 und 100 mg/dl erreichen? Eine Studie kam zu dem Schluss, dass in 38 % der Fälle die Insulindosis unter stationären Bedingungen von der abweichen würde, die anhand der mittels Homemonitorig ermittelten Werte festgelegt wurde. Solche Prozentzahlen können wir nicht bestätigen. Nach unserer Erfahrung und nach unseren Ansprüchen würden diese deutlich höher liegen.

Stationäre Tagesprofile beim Tierarzt eignen sich nicht zur Verlaufskontrolle. Sie sollten wirklich nur dort angeboten werden, wo Tierhalter durch Alter oder Körperbehinderung nicht zum Homemonitoring befähigt sind.
Nach einer Dosisanpassung (i.d.R. Erhöhung) kann es in häuslicher Umgebung jederzeit zur Hypoglykämie oder (bei Erniedrigung) auch zur Ketoazidose kommen.



Warnung vor "Tihgt Reglulation"!

Ignoriert man die Existenz einer Gegenregulation (Somogyi, Insulinresistenz, etc.) und erhöht die Insulindosis ständig weiter, sind die Gegenregulationsmechanismen des Körpers irgendwann erschöpft - es kommt zu tiefen bis hypoglykämischen Werten und im Extremfall auch zur manifesten Hypoglykämie.

Einige Selbsthilfegruppen praktizieren diese gefährliche und aggressive Methode der Diabeteseinstellung - genannt "Tight Regulation". Dabei werden alle Gegenregulationsmechanismen des Körpers, die bei einem Zuviel an Insulin als Schutz vor einer Unterzuckerung auftreten, für nicht existent erklärt und ignoriert. So wird z.B. jede Gegenregulation in diesen Selbsthilfegruppen kurzerhand in "Fluktuationen" umbenannt, deren Erscheinen keinerlei Bedeutung beigemessen wird. Die Dosis wird so lange erhöht, bis sich hypoglykämische Werte einstellen, die es nach Ansicht der Moderatoren zu halten gilt.

Am Ende einer solchen "Therpaie" stehen i.d.R. hohe Insulindosen (lt. eigenen Aussagen 3 bis 10 IE oder mehr) sehr niedrigen Blutzuckerwerten (oft 50 bis 30 mg/dl) gegenüber. Deshalb kommt es hier auch immer wieder zu plötzlichen auftretenden Hypoglykämien.

Insulindosierungen von 12 IE (!) bei einem Blutzuckerwert von nur noch 50 mg/dl(!), oder sogar Dosierungen über 20 IE sind hier keine Seltenheit. Das vorherige "Hochfüttern" des Patienten mit kohlenhydratreichen Futtermitteln, anstelle einer angemessenen Insulinreduktion ist eine weitere ungeeignete Behandlungsmethode solcher Laiengruppen.

In der Humanmedizin wäre ein solches Vorgehen undenkbar. Oder haben Sie schon einmal von einem Patienten gehört, der erst einmal ein oder zwei Tafeln Schokolade essen muss, damit er die nächste überhöhte Insulindosis auch wieder überlebt?
In der humanmedizinischen Fachliteratur heißt es dazu: "Ab einer notwendigen Insulinmenge von 1,0-1,3 IE/kg/d kann von einer Ãœberinsulinisierung gesprochen und vom Vorliegen einer klinisch relevanten Insulinresistenz ausgegangen werden." (Diabetologie in Klinik und Praxis: Das Referenzwerk für die alltägliche Praxis, Seite 264)

Gefährlich, bzw. sogar tierschutzrelevant, ist bei diesem Vorgehen auch, dass von vielen Nutzern ausschließlich Werte unter(!) 100 mg/dl angestrebt werden. Solange auch nur ein einziger Wert über 100 mg/dl liegt, wird die Insulindosis in ignoranter Weise weiter erhöht. Werte bis zu 30 mg/dl werden als legitim erachtet. Werte um die 40 bis 50 mg/dl gelten bei einigen Nutzern sogar als Ideal!
Katzen aber können im Gegensatz zu Menschen eine drohende Hypoglykämie nicht unmittelbar mitteilen. Gerade diese Spezies versteht es ausgezeichnet Unpässlichkeiten, Krankheiten und Schmerzen zu verstecken. Außerdem sind feline Patienten oft stundenlang allein zu Hause und können im Bedarfsfalle in keiner Weise auf sich aufmerksam machen. Sie sollten deshalb ähnlich wie Menschen, denen die Wahrnehmung für eine Hypoglykämie fehlt, behandelt werden:

"Besonders vorsichtig bei der Wahl des unteren Blutzuckerbereiches sollte vorgegangen werden, wenn die Erkennung niedriger Blutzuckerspiegel (gestörte bzw. fehlende Hypoglykämiewahrnehmung, „unawareness“) eingeschränkt oder verloren gegangen ist. Auch hier sollte der angestrebte untere Therapiebereich nicht unter 100 mg/dl liegen."
(Aus Diabetologie in Klinik und Praxis: Das Referenzwerk für die alltägliche Praxis, 5. Auflage, Thieme Verlag, Seite 251.)

Neben der ständigen Gefahr einer Unterzuckerung, sind zu niedrige Werte eine große Belastung für jeden Organismus, auch wenn noch keine eindeutigen Hypoglykämie-Symptome auffallen. Da das Gehirn seine Energieversorgung ausschließlich aus den Glukosevorräten im Blut bezieht, ist dieses Organ auch das erste, das bei ständig grenzwertig zu tiefen Werten leidet.

"Als Faustregel gilt für den Diabetiker, Blutzuckerwerte unter 60 mg/dl (3,3 mmol/l) in jedem Fall zu vermeiden... Bereits bei Blutzuckerspiegeln von 50 - 70 mg/dl (2,8 - 3,9 mmol/l) kann die intellektuelle Leistungsfähigkeit eingeschränkt sein, obwohl die klassischen Symptome einer Unterzuckerung noch fehlen."
(Aus Diabetologie in Klinik und Praxis: Das Referenzwerk für die alltägliche Praxis, 5. Auflage, Thieme Verlag, Seite 262.)

Auch in der Humanmedizin gab es in der Vergangenheit Bestrebungen, die Blutzuckerwerte aggressiv zu senken. Eine Studie aus dem Jahre 2009, ACCORD-Studie genannt, sollte die Vorteile dieser Methode untersuchen. Mehr als 10 000 diabetische Patienten nahmen daran teil. Eine Gruppe der Patienten wurde auf die Blutzuckerwerte von Gesunden eingestellt (also noch deutlich höher, als bei "Tight Regulation" üblich), während bei einer zweiten Gruppe auch höhere Werte toleriert wurden. Das Ergebnis war, dass die ACCORD-Studie wegen 22 % (!) mehr Todesfällen in der aggressiv therapierten Gruppe abgebrochen werden musste.

Prof. Dr. med. Michael Stumvoll, Direktor der Medizinischen Klinik und Poliklinik III am Universitätsklinikum Leipzig dazu: "Die ACCORD-Studie hat uns den Erkenntniszuwachs gebracht, dass das Absenken des Glucosespiegels um jeden Preis Wahnsinn ist."
Als langfristiger Folgeschaden von Hypoglykämien wurde Demenz beobachtet. "Offenbar toleriert das Gehirn einen Mangel an Glucose besonders schlecht."
http://www.aerzteblatt.de/archiv/65239/Diabetes-mellitus-Typ-II-Ist-Hyperglykaemie-oder-Hypoglykaemie-risikoreicher
(Zur Erklärung: Der HbA1c-Wert ist der Langzeitzuckerwert beim Menschen.)

All diese Erkenntnisse werden von den Tight-Regulation-Anhängern ignoriert. Neue User werden immer wieder aufgefordert, "mutig zu sein" und auch bei tiefsten Blutzuckerwerten in Eigenverantwortung hohe Insulindosen zu verabreichen. Blutzucker-"Abstürze", wie sie unter einer vorsichtig-adäquaten Insulintherapie kaum vorkommen, sind hier in fast allen User-Tabellen zu finden.

Ein Auszug aus einer dieser Gruppen:

"Hallo ihr Lieben...
wir bräuchten ein paar Däumchen.. Mimi ist in der TK.
Nachdem wir seit einer Woche nur noch das Insulin reduzieren, hat uns Mimi heute eine Hypo vom feinsten beschert (BZ 27, den sie ja aber schon öfter mal hatte - da sieht man es mal wieder!). Selbst 85ml Glucoseinfusion haben es nicht geschaft, ihre Orientierungslosigkeit zu beheben. Der BZ war zwar in kürzester Zeit wieder oben, aber sie ist weiterhin ziellos durch die Wohnung geschwankt und der Kopf ging ständig von rechts nach links. Nach einem Telefonat mit unserem TA haben wir ihr 5mg Prednisolon gespritzt. Kurz danach ist Mimi umgefallen und hat angefangen zu hecheln. Daraufhin sind wir schnurstracks in die TK.
Sie hat sofort Sauerstoff bekommen und bleibt bis morgen da. Sie bekommt Infusionen, der BZ wird regelmäßig gemessen, Blut- und Urinstatus wird gemacht. Haben uns lange mit der TÄ unterhalten, die sehr beeindruckt von Chris' Aufzeichnungen war. Natürlich fiel der Somogyi wiederholte Male . Aber irgendwann war der TÄ wohl dann doch klar, dass wir keine unbedarften Diabetesanfänger sind."
(Quelle gesichert unter: http://www.freezepage.com/1339445048TJLCXUSOJG, Stand: 11.06.12)
"Ich hab ja jetzt schon einige Hypos miterlebt (eine bei Isi und das war jetzt die 3. bei Mimi). Aber so wie heute war es bei Mimi noch nie und es hat v.a. überhaupt nicht aufgehört. Und nichts hat gewirkt. Sie hat auch nichts gefressen, gar nichts. Wir sind heute mal wieder belehrt worden, dass auch bei einer Katze, die gerne mal niedrige Werte hat ohne Symptome, sich das Blatt ganz schnell wandeln kann."
(Quelle gesichert unter: http://www.freezepage.com/1339445516GHGMMSWLUV).

Das foreneigene Dogma, dass eine Gegenregulation oder Insulinresistenz nicht existent sind und deshalb zu hohe Blutzuckerwerte immer nur auf einen Insulinmangel zurückzuführen seien, scheint als unumstößlicher "Glaubenssatz" zu gelten:

Zitat Forum:

"Gestern Nachmittage habe ich mich mit einer in Sachen Diabets sehr kompetenten Apothekerin unterhalten und die meinte, dass ich versuchen sollte, die Dosis zu reduzieren, da Titus oft am Abend nach dem Spritzen hohe bekommt und sehr fertig in der Ecke liegt"

"Das versteh ich nicht. Du sollst die dosis reduzieren, weil Titus hohe Werte bekommt? Wenn die Werte in einer HÖhe liegen, wie bei euch, dann ist der INsulinbedarf einfach nciht gedeckt. Dann die Dosis zu veringernt - wo zum Geier, hat die Frau ihr "Wissen" her?"

"Eins muss ich aber sagen, was diese "kompetente" Apothekerin sagt, entbehrt jeder Grundlage und ist völliger Quatsch, ich schließe mich da Ida`s Ausführungen an. Wenn Du frierst - drehst Du doch auch nicht die Heizung zu, oder wenn Du Hunger hast, stellst Du auch nicht das essen ein "

(Quelle gesichert unter http://www.freezepage.com/1339581346MCNGTKRJUE , Stand: 13.06.12).

Auch die im Forum vertretene Annahme, dass derart niedrige bis hypoglykämische Blutzuckerwerte dafür sorgen, dass weniger Patienten an einer Niereninsuffizienz sterben, wurde in der Humanmedizin in einer aktuellen Studie widerlegt:

Tight Glucose Control for Renal Protection Challenged
Internal Medicine News

Intensive glucose control had no apparent impact on renal outcomes in type 2 diabetes patients compared to conventional glucose control, according to meta-analysis findings published online in the May 28 [2012)Archives of Internal Medicine.

Leider können sich die tierischen Patienten nicht gegen derart irrwitzige, tierschutzrelevanten Ideen wehren. Die oben vorgestellte ACCORD-Studie hat sehr deutlich gezeigt, welche Werte letztendlich die "gesünderen" sind.

Hinzu kommt, dass jeder, der in einer Selbsthilfegruppe zur Insulindosierung berät, sich juristisch angreifbar macht. Dosiervorschläge dürfen nur von Medizinern vorgenommen werden. Dabei spielt es keine Rolle, dass für diese "Dienste" kein Entgeld gefordert wird. (Siehe hierzu auch: "Selbsthilfegruppen auf juristischen Abwegen")

Letzte Änderung 02.04.20


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